Ship of Fools

Am 22. Juli gaben die Backdoors wohl ihr schönstes Konzert. Der Himmel war verhangen, als ich mich auf den Weg machte. Nur wenige Tage zuvor hatte es einen Terror-Anschlag in der Londoner U-Bahn gegeben. Die Zeiten werden immer unsicherer und verrückter. Manchmal sehnt man sich danach, einfach alles zu vergessen. Einfach mal abrocken. Eigentlich wollten zwei gute Freunde mich zu diesem Konzert begleiten, weil sie große Doors-Fans sind und ich ihnen von den Backdoors schon etwas vorgeschwärmt hatte, aber sie waren an diesem Tag gerade verreist.

Als ich das Logo in einiger Entfernung vor mir sah, entdeckte ich eine große Menschentraube, die sich vor dem Eingang versammelt hatte. Innen war es auch schon gerammelt voll. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich Nina und Jim Lizardking entdecken konnte. Die beiden lassen auch keinen Backdoors-Abend aus, denn diese Doors-Coverband ist nun einmal unser Liebling in der Hansestadt. Der Gitarrist erzählte mir von der Aufregung der Band an diesem Abend, was den Musikern aber nicht anzumerken war, als der schwarze Vorhang sich langsam öffnete. Gleich am Anfang überraschte mich der satte Sound der Gruppe. Nach fünf Minuten hatten die Musiker schon das Publikum auf ihrer Seite. Der Sänger ließ den Freiheitsdrang eines Jim Morrison aufleben und heizte richtig ein. Ich entdeckte an diesem Abend ganz junge Gesichter im Publikum. Das Flair der Truppe muss sich jetzt auch unter den Kids herumgesprochen haben.

An diesem Abend hatte die Band auch die heiteren Seemannslieder im Repertoire, die Jim Morrison geschrieben hatte. Das Logo verwandelte sich ganz langsam in ein fröhliches Narrenschiff und die Leute flippten aus. Der Keyboarder zeigte an diesem Abend, wie aufregend ein Solo in Stücken wie »When The Music?s Over « und »Riders On The Storm « sein kann. Ich sah seine Finger in Lichtgeschwindigkeit über die Tasten fliegen. Er war unglaublich konzentriert bei der Arbeit. Seine Lippen kommentierten unhörbar jede Note in der Musik, als wäre er in einen wichtigen Dialog vertieft. Der Gitarrist beeindruckte das Publikum aber ebenso, denn die Leute vergaßen ihren Tanz, als er das Publikum mit seinen schönen Soli verzauberte. Die Bassistin spielte an diesem Abend so souverän wie immer. Sie ist unglaublich gut geerdet und lässt sich niemals aus der Ruhe bringen. Ihr Saxophonspiel imponiert allen Männern und ihr Lächeln ist bezaubernd. Der Schlagzeuger war an diesem Abend ebenso konzentriert bei der Sache wie der Keyboarder. Der Mann hat einfach Taktgefühl und kann sich - wie einst John Densmore - auf musikalische Dialoge mit dem Sänger einstellen.

Am Ende des Abends wagte ein junger Mann den großen Sprung von der Bühne, nachdem er dreimal geübt hatte. Zwei junge Männer flogen im Rhythmus der Musik wie schillernde Kampfhähne durch die Luft, weil die Musik sie so angetörnt hatte. Alle waren sie vom Doors-Virus befallen, aber diesmal riefen sie nicht nach den Doors, sondern nach den Backdoors, denn diese Band liefert nicht nur eine Imitation. Die Hütte war voll an diesem Abend und die Rufe nach Zugaben wollte kein Ende nehmen. Der Sänger musste den Zuschauern ganz erschöpft mitteilen, dass eine weitere Zugabe nicht erlaubt war, denn sonst hätte man das Ordnungsamt wegen der Lautstärke auf den Plan gerufen. Die Musik der Backdoors unterliegt ständig einem kreativen Wandel und das scheint bei den Zuschauern sehr gut anzukommen. Wenn das so weitergeht, wird das Logo für die Truppe zu klein! Meine Freunde waren übrigens unglaublich enttäuscht, dass sie den Auftritt der Backdoors verpasst haben. Aber dafür wird die Freude beim nächsten Mal umso größer sein, wenn das Narrenschiff wieder in See sticht.