Back to the roots

Der Sommer ist schon wieder ins Land gezogen. Sommer 2009. Die Zeit läuft. Der Himmel war bewegt, als ich mich mit JLK in Altona traf. Die Sonne versteckte sich immer wieder hinter Wolkenfeldern. Wir sprachen über Paris und über die wundervollen Gedichte von Darryl Read, die ich gerade übersetzt hatte. Wir waren gespannt auf das Konzert der Backdoors, die diesmal ein Konzert in einem Bauwagen geben wollten. Wie soll das gehen? Der Bauwagen stand auf einem Parkplatz in der Nähe der alten Flora, also mitten im Sternschanzenviertel. Mal wieder etwas Kultur im Nest der Autonomen, die in diesem Stadtteil immer wieder von sich reden machen.

Als wir auf dem Parkplatz ankamen, war die Crew schon dabei, die Instrumente in den Bauwagen zu tragen. Das urige Klavier stand schon auf der winzigen Bühne. JLK bot sich mit mir zusammen als Roadie an. Leider durften wir nur zwei Stative für den sympathischen Schlagzeuger die kleine Holztreppe hinauftragen. Der Gitarrist hatte seine blitzende, metallisch klingende Lady schon unter dem Arm. Die Bassistin stellte einen grazil gebauten Bass in die Ecke. Der Bauwagen erinnerte an den Zirkus und im Inneren war es so gemütlich eingerichtet wie in der alten Hippie-Zeit, alles leuchtete in einem schönen Orange. Mir fiel eine Zeile aus einem Gedicht von Darryl Read ein: »Und wir lieben, wenn Blau sich in Orange verwandelt «

Im Blau steckt der Blues. Diese Traurigkeit, die sich in der Musik einen Ausdruck verschafft, erhellt sich und endet in einer Sonnenuntergangsstimmung. Jim Morrison hat im Blues immer die Wurzel der Musik gesehen. Sie kommt aus Afrika und berührt auch die Herzen der Weißen, die sich in alten Zeiten an klassischer Musik und den magischen Madrigalen berauscht haben. Als die Backdoors anfingen zu spielen, war auch gleich ein wenig von der New Orleans Atmosphäre zu spüren. Der Sänger hatte kein Mikrophon vor der Nase. Er stand geerdet vor dem Publikum, das gedrängt in dem kleinen Zigeunerwagen saß. Um den Bauwagen herum waren die sommerlich grünen Bäume mit bunten Laternen verziert und überall standen Tische und Stühle. Die Kerzen leuchteten, und es war schon erstaunlich, dass die Menschen, die draußen saßen, die Musik auf wunderbare Weise hören konnten. Die Stimme des Sängers war tragend. Sie war aber auch zart, so dass die Texte und die Musik der Doors ganz neu klangen. In unserer elektronisch verkabelten Zeit ist es mal wieder eine ganz neue Erfahrung, wenn die Musik ohne Verstärker auskommt. Es gibt nur wenige Rockmusiker, die den Mut haben, ihr Können auf diese Art zu offenbaren. Der Sänger hatte die richtige Atemtechnik und die anderen Bandmitglieder waren so herzerfrischend aufeinander eingespielt, dass es eine helle Freude war. Diese Freude spiegelte sich in den Gesichtern der Zuschauer. Die Leute sangen mit und am liebsten hätten sie getanzt, was aber in diesem kleinen Wagen unmöglich war.

Die Gruppe spielte an diesem Abend auch viele ruhige und beschauliche Stücke. Ich bedankte mich für das Lied »END OF THE NIGHT«, das unplugged ganz zauberhaft klang. Das Wort »unplugged« bedeutet »ohne Steckdose«. Man stelle sich das heute einmal vor: Ein Haus voller Klänge und Musik, aber ohne  Steckdose! Jim Morrison hatte in einen seiner Songs etwas Country-Musik hineingeschmuggelt. Der Sänger machte es lebensecht, indem er sich die Nase mit einer Wäscheklammer zuhielt. Der Humor kam an diesem Abend gewiss nicht zu kurz.

Die Backdoors hatten an diesem Abend ein buntes Programm. Sie machten immer wieder kurze Pausen zwischen den Liedern. Das kleine Plumpsklo im klitzekleinen Bauwagen nebenan war festlich mit Teelichtern bestückt. Draußen kam man ins Gespräch. Eine Frau, die sehr musikalisch war, trug dem Sänger eine Bitte vor. Um Mitternacht hätte jemand Geburtstag. Ob die Gruppe da wohl den Song vom Spion im Haus der Liebe vortragen könne. Als dieser Zeitpunkt dann unweigerlich kam, stand sie mit einer Kerze in der Hand mitten im Bauwagen. Der Sänger fragte: »Wo ist denn das Geburtstagskind?« Es stellte sich heraus, dass sie es selbst war. Es war ein rührender Moment, als der Sänger die Frau in die Arme nahm.

Es war schon spät geworden, als die Gruppe »RIDERS ON THE STORM« spielte. Auch das war ohne elektronische Orgel möglich. Der Schlagzeuger zauberte mit seinen Becken einen Klangteppich hervor, der einen Regenschauer imitieren konnte. Der Song »MOONLIGHT DRIVE« klang unglaublich schön, weil der Gitarrist so gut mit dem Flaschenhals umgehen konnte. Am Ende der Session wurden wieder Zugaben verlangt. Weil im Bauwagen Rauchverbot herrschte, wurde eine kleine Jamsession kurz nach draußen verlegt. Der Abend hatte einen schönen Ausklang, unter grünen Bäumen und dem Sternenhimmel.