Interview mit Leon Barnard

Leon war Ende der 60er / Anfang der 70er Jahre Pressesprecher der Doors.

Leonard Barnard

Homepage: www.waitingforanecho.com

Ein Interview, das Jimlizardking mit Leon Barnard am 16. November 2004 geführt hat.

 

Meine Beziehung zu Jim

JLK

Wann hast du Jim Morrison das erste Mal getroffen?

Leon Barnard

Anfang September 1968. Ich stand gerade vor dem Royal Lancaster Hotel in London und wartete auf Limousinen, die uns zur Roundhouse Chalk Farm außerhalb der Stadt zum Proben bringen sollten. The Doors waren ein paar Tage zuvor in England angekommen und ich war per Anhalter aus Kopenhagen hierher gefahren, wo ich sie promotet hatte. Und obwohl ich noch nicht offiziell für sie arbeitete, klappte das gut und mein Ruf als ein "Plappermaul" verbreitete sich von Beverly Hills nach New York City, London, Stockholm, Frankfurt usw. ... quer über Westeuropa. Und während ich reiste, schickte ich Nachrichten an Bill Siddons im Büro der Doors in L.A., u.a. Zeitungsausschnitte und andere Beweise für meinen Erfolg.

Was ich nicht wusste war, dass Jim Morrison meine Briefe gelesen und Gefallen an mir gefunden hatte; dadurch war eine Art entfernte Verbindung entstanden, die noch zu nichts Realem gereift war. Als ich also unerwartet in England auftauchte (einen Tag vor meinem ersten persönlichen Treffen mit Jim), engagierte mich Bill Siddons vom Fleck weg, um die Doors bei ihrer ersten Europatournee zu vertreten.

An dem Tag, an dem Jim und ich das erste Mal unsere Hände schüttelten, las ich gerade ein Melody Maker Musikmagazin und als meine Augen zum Horizont blickten, sah ich Cowboystiefel, die in meine Richtung schlenderten. Dann Lederhosen, darüber ein locker sitzendes flauschiges weißes Shirt mit Jim Morrison darin.

"Hi, ich bin Jim", grüßte er, denn er dachte wohl, ich sei ein englischer Roadie oder so, und bot mir seine Hand an. Betrachtete meine nackten Füße. "Schneidest du dir nie in die Füße? Oder erkältest dich?" - "Nö, meine Füße sind berührungsempfindlich. Ich bin am Strand aufgewachsen und bin barfuß gelaufen, seit ich Kind war. Und ich hole mir normalerweise keine Erkältung, ich bin gesund", antwortete ich. "Hi, mein Name ist Leon." Und ich gab ihm die Hand.

"Hey, du bist der Typ in Kopenhagen!", rief er. "Ich habe deine Briefe gelesen. Komm rein." (Er öffnete die Tür der Limo und bot mir einen Platz zwischen ihm und Pam an.) Und während der Fahrt zur Chalk Farm befragte Jim mich darüber, was ich in Kopenhagen gemacht hatte, stellte Fragen über die Dänen usw. und wirkte ehrlich interessiert und hörte meinen Antworten sorgfältig zu. Ich war nicht vor Ehrfurcht erstarrt, daher war das Gespräch zwischen uns Dreien offen und locker. Und das war das Erste, was mir bei meinem ersten Treffen mit Jim Morrison auffiel: Er hörte zu.

JLK

Wie würdest du deine Beziehung zu Jim beschreiben?

Leon Barnard

Jim Morrison und ich hatten sofort eine symbiotische Beziehung, die auf gegenseitigem Respekt gründete. Ich war damals zu naiv, um auch nur daran zu denken, ihn aus irgendeinem Grund auszunutzen - und das spürte er - und wir wurden einfach Freunde. Gegenseitiger Respekt, das sind die richtigen zwei Wörter. Und erst vor ein paar Wochen habe ich erfahren, dass Jim anderen gegenüber über mich als "Mr. Good Vibes" sprach.

JLK

Da du sein Presseagent warst:
Was dachte Jim über Journalisten und die Medien allgemein?

Leon Barnard

Ich würde sagen, Jim trickste diejenigen aus, die versuchten, ihn dazu zu bringen, Kommentare zu geben, von denen er wusste, dass sie gegen ihn verwendet würden. Er beobachtete menschliches Verhalten sehr genau und wenn Leute versuchten, mit ihm zu spielen, stand er auf und ließ sie sitzen. Keine Entschuldigung, gar nichts; einfach ein Verschwinden, das die anderen normalerweise sprachlos zurück ließ. Darüber hinaus denke ich, respektierte er die Kunst des Schreibens für den eigenen Lebensunterhalt, aber er erkannte einen Geier wenn er einen sah, auch wenn sie hochhackige Schuhe und Abendkleid oder Anzug und schicke Krawatten trugen: "Ein Geier ist immer noch ein Geier." Wir alle haben sie kennen gelernt.

Bevor er jemandem ein Interview gewährte, bat Jim mich, mit der Person Mittagessen zu gehen und sie zu begutachten. Und wenn ich der Meinung war, sie waren cool, dann machte er das Interview.

JLK

War es leicht mit ihm zu arbeiten?

Leon Barnard

Ja. In den meisten Fällen war Jim sehr kooperativ ... in großem Maße weil er mir dabei helfen wollte, meine Pflichten zu erfüllen - und eben auch, weil er meinem Urteil vertraute. Es gab jedoch auch Zeiten, wo vielleicht ein paar Drinks zu viel meine Aufgabe etwas schwierig machten. Aber wenn ich jetzt darauf zurückblicke, gehörte das einfach dazu, ein "Freitag" [als Gegenpart zu Robinson Crusoe] für einen genialen Poeten zu sein, war nicht immer einfach, aber es war es wert.

JLK

Wie hast du persönlich Jim Morrison als Person wahrgenommen?

Leon Barnard

Damals habe ich nicht viel darüber nachgedacht; ich habe Jim für bare Münze genommen, wie auch jeden anderen. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, darüber nachgedacht zu haben, was er für einer war. Für mich war er einfach Jim Morrison, und ich denke, wahrscheinlich konnten wir deswegen Freunde sein. Ich war ein Kunstzeichner und Cartoonist, der mit Feder und Tinte arbeitete, und ich schrieb "Schreckliche Parabeln". Und Jim bewunderte und respektierte mein Talent genauso sehr wie ich seines.

JLK

Wenn du mit ihm sprachst, hast du dann diese besonderen magischen Vibrations gefühlt, über die man immer hört?

Leon Barnard

Das Einzigartige an Jim Morrison war, dass er zuhörte. Und dann dachte er. Und während er nachdachte und die beste Antwort suchte, schloss er die Augen. Dies haben (Unwissende) manchmal als "sonderbar" wahrgenommen. Es war es nicht. Wenn man Jims Antwort auf irgendeine Frage bekommen hat, dann war es seine Original-Antwort .. seine eigene Meinung. Er war kein durchs Fernsehen programmierter Automat. Tatsächlich habe ich ihn mehr als einmal sagen hören: "Ich kann nicht hypnotisiert werden."

Warum? Meiner Meinung nach weil er eine Meinung hatte, die nicht von den Launen anderer abhing, einen starken und intelligenten Verstand, der nicht schlafen gelegt und von irgendetwas überzeugt werden konnte, das er nicht geprüft hatte.

Nachdem er in Amsterdam wegen einer Überdosis (gegessenen) Haschisch kollabiert war, das er mit Whiskey heruntergespült hatte, besuchte ich ihn am nächsten Tag im Krankenhaus. Er saß aufrecht im Bett mit  klaren, funkelnden blauen Augen und rosigen Wangen, wie ein Bild des Wohlergehens, das als Titelmotiv für jedes Gesundheitsmagazin geeignet gewesen wäre. Die Ärzte bestanden darauf, ihn noch einen weiteren Tag dazubehalten, und er bat um etwas Kaugummi und einen Playboy. Als ich ihm von meinen eigenen Erfahrungen in einem Krankenhaus erzählte, sah er mich mit einer Art "besonderen Intensität" an, nach der du fragst, und in dem Moment habe ich gefühlt, das er in meinem Innern las.

Ehrlich, ich hoffe, das klingt nicht zu schmalzig, ich glaube Jim hatte eine gesteigerte Wahrnehmungsfähigkeit, und ich bin mir nicht zu sicher, dass das "nur" am LSD-Konsum lag. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass ich antworte, wenn Leute mich fragen, woher ich all meine Ideen bekomme: "Das muss am Acid liegen, das ich in den Sechzigern geschluckt habe." (Du mögest daraus deine eigenen Schlussfolgerungen ziehen. Aber denke daran, Jim Morrisons IQ lag bei 149. Das für sich genommen ist schon eine mentale Kraft mit hoher Spannung, wenn sie gewissenhaft projiziert wird.

JLK

Hat er wirklich andere Menschen durch sein Charisma beeinflusst oder sogar eingeschüchtert?

Leon Barnard

Eingeschüchtert? Nur diejenigen, die neidisch sind, fühlen sich eingeschüchtert. Ich denke, die meisten anderen Menschen wurden durch seine Energie inspiriert. Ich habe keine Gedichte geschrieben, bevor ich Jim Morrison getroffen habe...

JLK

An welchen Moment, den du zusammen mit Jim verbracht hast, denkst du am liebsten zurück?

Leon Barnard

Da Autoren damit begonnen hatten, Jim Morrison mit dem jungen Marlon Brando zu vergleichen, gingen er, Pam und ich in New York City ins Kino, um "Streetcar Named Desire" [Endstation Sehnsucht] von Tennessee Williams anzusehen, mehr oder weniger um zu schauen, ob es irgendwelche Ähnlichkeiten gab. Jim schlief am Anfang des Films ein, daher sahen ihn Pam und ich zusammen.

Monate später passte ich auf das Haus von Ray und Dorothy auf, während sie im Urlaub waren, und Jim und Pam kamen zum Abendessen und um "Streetcar" im Fernsehen zu sehen vorbei. Jim schlief wieder zu Anfang des Films ein, und ich bin mir bis heute nicht sicher, ob er je die Gelegenheit hatte, diesen Film zu sehen.

Aber an diesem Abend hörten wir klassische Musik, zündeten ein Feuer im Kamin an, und machten es uns einfach gemütlich wie Kinder, die heiße Schokolade trinken. Keine "Superstars" hatten Zutritt zu unserer kleinen Dreierparty, und es ist ein schöner Moment für mich, um mich daran zu erinnern. Danke für die Frage.

JLK

In welchem psychischen Zustand war er, als du ihn das letzte Mal getroffen hast?

Leon Barnard

Um diese Frage zu beantworten, zitiere ich einen Ausschnitt aus meinem Buch auf Seite 159: "Monate später aßen Jim und ich zusammen zu Mittag, drei Wochen vor seinem Flug nach Paris, wo er schließlich verschwand. Wir sprachen über seinen Prozess und die Möglichkeit, mehrere Jahre im Knast hinter Gittern zu verbringen. Während des Gesprächs streifte er auch seine Zukunftsgedanken und erwähnte die Möglichkeit, seine Identität zu wechseln. Wir machten Witze darüber, wie er schwarze Schminke auftragen und "inkognegro" in den Untergrund gehen würde, aber das war nur, weil wir dem Wortspiel nicht widerstehen konnten und es hatte überhaupt nichts mit Rassismus zu tun - nur das Gesicht betreffend. Er sprach den Wunsch aus, die Rolle des Teenie-Idols und so genannten Superstar Künstlers komplett aufzugeben und - da er die Nase vom Hollywood Rummel voll hatte - wollte er sein Leben vervollkommnen, indem er seiner Kunst nachging; anonym, wenn notwendig, inkognito um der Freiheit und des Überlebens Willen.

Nach dem Essen und dem Gespräch brachen wir auf, wie Freunde es manchmal tun, wenn sie spüren, dass sie sich vielleicht nie wieder sehen werden. Nachdem er warmherzig meine Hand geschüttelt hatte, schlenderte er seines Weges ... und ich ging den meinen. Aber vor seinem Aufbruch gab er mir eine letzte Auswahl von Wörtern, auf eine Serviette gekritzelt, die ich nun schreiben werde und dich bitte deutlich vorzutragen:

Der Mann, der kreuz und quer durchs Land reist

in seinem Wohnwagen,

ist immer allein an unbekannten Orten...

wo er kein General mehr ist

für irgendjemanden im Besonderen.

Beantwortet das deine Frage? Gute Vibrations, eine Art endgültiges "Good-bye", gemischt mit einem mysteriösen nostalgischen Gefühl, das da sagte "Bis später"?

Zur Klarheit: Die obige "schreckliche Parabel" (Gedicht) ist in Wirklichkeit von mir, nicht geschrieben von Jim Morrison ... obwohl ich sie "im Geiste" von Jim Morrison geschrieben habe.

JLK

Was denkst du heute über Jim? Welche Erinnerungen sind geblieben? Was ist mit dem Tod von Jim verschwunden?

Leon Barnard

Mit (etwa) 30 Jahren Abstand und nachdem ich mich in letzter Zeit bei mehreren Jim Morrison Fan-Websites eingeschrieben habe, würde ich sagen, dass meine Wertschätzung deutlich zugenommen hat. Es ist etwas, über das ich in all diesen Jahren nur nicht viel nachgedacht habe, aber nun scheint es für meine Situation wichtig zu sein. Dass ich mein Buch veröffentlicht habe, hat mir Jims Geist näher gebracht, und in gewisser Hinsicht kann ich nun besser verstehen, warum ihn so viele Menschen in aller Welt absolut lieben. Ich sehe Jim Morrison nicht als Gott, aber vielleicht als "Prinz unter Menschen" großartigen Menschen.  Dichtung spricht die Seele an, und ich bin einfach dankbar, dass es Millionen von möglichen Zuhörern gibt: Waiting for an echo? Warten auf ein Echo?

Welche Erinnerungen sind geblieben? In meiner Erinnerung ... starb Jim Morrison nicht, er hörte nur damit auf, dem Sicherheitsdienst und anderen Vorübergehenden auf die Nerven zu gehen.

Mit seinem Tod verschwunden? Nur sein Körper.

JLK

Würdest du auch eine Biographie schreiben wie Danny Sugarman?

Leon Barnard

"Living in Coincidence" ist die Geschichte meines Lebens, aber hat wenig mit den Doors zu tun. Darüber hinaus ist es eine Autobiographie darüber, wie ich meine Existenz lebe ... obwohl es einen Abschnitt über das "Zusammenkommen von Kreisen" gibt, das mich mit den Doors verheiratete ... ein perfekter Zufall, der wegen der Gegebenheiten so eintreffen musste.

 

Jims Karriere und sein Blick auf die Welt

JLK

Warum hat Jim Morrison deiner Meinung nach das Leben geführt, das er führte? Und warum ist er so jung gestorben? Was hätte ihn am Leben halten können?

Leon Barnard

Ich denke, das "Leben" ist eine Antriebskraft, die uns manchmal irgendwohin schubst, wo wir gar nicht hinwollen. Meiner Meinung nach hängen die Entscheidungen, die wir treffen, von den Gelegenheiten ab, die uns angeboten werden, und davon, was wir beschließen mit ihnen zu tun. Wenn ich raten sollte, würde ich sagen, Jim folgte einfach dem Strom dessen, was viel seines Schicksals ausmachte ... unterwegs Gedichte schreiben ... feststellen, dass er ein Hollywood-Symbol werden musste, um Menschen auf der ganzen Welt dazu zu bringen, ihn zu lesen und zu erinnern. Und diese Reise war kein Egotrip; es war mehr ein Zeugnis, das er seiner echten Familie schickte: "Dir und Mir."

Und warum starb er so früh? Übertriebener Genuss. Er lief ohne Sicherheitsnetz über ein gespanntes Seil, verleitete das Leben dazu, nicht länger stattzufinden ... zumindest im physischen Sinn des Wortes. Und er starb jung, um ins "Land der Legenden und anderen Orten gezielter Gerüchte" zu gelangen, und um Marilyn Monroe, Elvis, John Kennedy und Lennon dort zu treffen, und all die anderen, die aus dem Vollen gelebt haben, um diesen Status zu verdienen.

Was hätte ihn am Leben halten können? "Die Zeit ist an zukünftigen Möglichkeiten vorbeigegangen," und Jim wurde ins große Unbekannte gezogen. Mist. Aber auch ein herrliches Halleluja! Sehe doch wie viel Liebe er seitdem gesammelt hat.

JLK

Hat Jim wirklich an die Rolle des Schamanen geglaubt? Hatte er Kontakt zu Indianern? Hat er jemals über die Situation der Indianer in den Vereinigten Staaten gesprochen?

Leon Barnard

Weiß nicht, aber ich nehme an, er hat die Rolle des "Medizinman-Rockstars" irgendwie Ernst genommen ... in einem theatralischen Sinne. Wurde nicht einmal geschrieben, er wolle die "sexuelle Neurose der Masse" heilen? Ich habe das nie wirklich mit ihm diskutiert. Ich war nur ein Zuschauer der Show ... "und habe mit meinen eigenen Schwanzfedern gewedelt."

Kontakt zu Indianern oder über ihre Situation gesprochen? Nicht mit mir.

JLK

Was weißt du über Jims Interesse an Politik?

Leon Barnard

Nicht viel. Ich war damals zu naiv und uninteressiert an realer Politik um darauf zu achten. Aber der Unterschied zwischen uns wäre gewesen, dass er ein Interesse daran hatte "alles niederzureißen" um es wieder aufzubauen, und ich neigte mehr zu der "Love and make Love" Idee eines passiven und friedlichen Wandels. In meiner letzten Unterhaltung mit Jim sagte er, dass er keine physische Revolution mehr unterstützen würde - eher ein graduelles Einwandern in das System, um es systematisch von innen zu verändern.

JLK

War ihm Politik wirklich wichtig oder haben ihn die Leute nur als politische Figur benutzt?

Leon Barnard

Er beschrieb sich selbst als "erotischen Politiker", ich schätze sein politisches Interesse was informell; vielleicht eher individuell, wie bei jemandem der Leserbriefe an Zeitungen schreibt, um von seinem Recht auf Meinungsäußerung Gebrauch zu machen und dadurch die Meinung anderer zu beeinflussen. Jim schrieb Verse und schrie seine Botschaft laut und klar von der Bühne.

JLK

Was denkst du, Jims Rückzug von den Doors war natürlich Ernst, aber sollte es seine vorübergehende Auszeit sein oder für immer? Glaubst du, es war Jims Absicht, in Paris zu bleiben und das Leben eines Schriftstellers zu führen?

Leon Barnard

Meinem Verständnis nach hatten die Doors alle ihre Verträge erfüllt, und das war Jims Gelegenheit, sich von jedweder weiteren Verpflichtung zu befreien. Und ich habe ihn sagen hören: "Die Doors werden immer die Doors sein", und sie würden von Zeit zu Zeit zusammenkommen, um mehr Musik zu erschaffen und zu machen. Die Liebe war noch immer da, er wollte nur nicht "unter Vertrag sein".

Bevor er nach Paris ging, sprach Jim mit mir darüber, sein Haar zu schneiden, seine Kleidung zu verändern, sich zu verwandeln und zur nächsten Phase seiner Existenz zu schreiten; was beinhaltete, Pam zu heiraten und Drehbücher für Spielfilme zu schreiben ... und vielleicht sogar dabei Regie zu führen.

"Etwas, das von sich selbst abgeschnitten wird unendlich etwas eigenes", (um Jims Worte zu umschreiben) und für mich war dies der natürliche Übergang des Schmetterlings, der seine künstlerischen Flügel ausbreitete und flog!

JLK

Er sagte einmal, dass er mit 27 Jahren zu alt sei, um das Leben eines Rockstars zu führen. Was wollte er damit sagen?

Leon Barnard

Jim war bewusst, dass die Mehrheit der Leute, die Konzerttickets kauften und Doors-Musik hörten, junge Teenager waren, und nicht die anspruchsvolle Masse, die er mit seiner Dichtung zu unterhalten hoffte. Er hat tatsächlich darüber gesprochen und sagte, dass die Lebensdauer einer Rockband etwa 5 Jahre war, und dass er sich etwas erwachsener fühlte als seine Zuhörer im Teenageralter, und dass er bereit war, weiterzugehen. Mit 27 Jahren begann Jim, aus seiner Rock and Roll Betäubung herauszuwachsen, das heißt, aus seiner jugendlichen Verwirrung. Um seine Kraft wiederzugewinnen, brauchte er Wandel, vor allem Anonymität, und Einsamkeit.

JLK

Was denkst du über die D21C? John Densmore hat einmal gesagt: "Die Doors, das sind Jim, Ray, Robby und John." Was ist deine Meinung hierzu?

Leon Barnard

Ich stimme John zu. "Das Geheimnis guten Essens besteht darin, zu wissen, wann man aufhört", sagte Jim Morrison immer. Mir persönlich gefiel es, als aus John, Robby und Ray "Other Voices" ["Andere Stimmen", der Titel der ersten LP nach Jim] wurden. Ich hatte gehofft, daraus würde sich mehr ergeben. Und ich mag es, wenn andere Sänger Doors-Songs singen ... aber warum müssen sie versuchen, so wie Jim auszusehen? Oder seine Mimik zu kopieren? Mir würde es gefallen, einen Typen, der wie ein blonder deutscher Tarzan aussieht, zu hören, wie er "Light my Fire" singt, aber dem Lied seinen eigenen Drall gibt (vielleicht trotzdem auf Englisch?) Oder eine atemberaubend aussehende junge Schwarze aus Südafrika, die der Musik ihren eigenen Touch gibt. Und so weiter. Das wäre für mich echte Unterhaltung.

JLK

Was denkst du über den Spielfilm von Oliver Stone? Wird Jim Morrison in diesem Film deiner Meinung nach richtig oder verzerrt gezeigt?

Leon Barnard

Ich war tatsächlich beeindruckt von Val Kilmers Auftritt in dem Doors-Film, und als ich ihn traf, um ihn zu dem Charakter zu beraten, erschien er mir perfekt für die Rolle. Und obwohl sich Oliver Stone mir gegenüber während unserem Treffen gemein verhielt, denke ich, dass er eine ziemlich gute Leistung erbracht hat, indem er Wesentliches von dem eingefangen hat, das ich "live" rund 20 Jahre zuvor beobachtet hatte. Mein zentraler Kritikpunkt ist ein gängiger: Warum wurde in dem Film nicht auch die intelligente und poetisch-geniale Seite von Jim Morrison gezeigt, nach der so viele Menschen - weltweit - hungern? Ich würde sagen, 75% des Films waren korrekt ... der Rest: reiner Oliver Stone.

Hoffentlich wird über Jim eines Tages ein anderer Spielfilm gedreht, der seine Genialität als Schriftsteller betont, und vor allem die als Mensch. Wir brauchen "große goldene Begattungen" und mehr Beweise seiner Menschlichkeit.

JLK

Wenn Jim noch am Leben wäre, was täte er? Was würde er über die heutige Musik denken? Welchen Stil würde er für seine eigene wählen? Wäre er noch auf der Bühne, wenn er gesund geblieben wäre? Und würde er gegen den heutigen Kommerz und das schnelle Leben protestieren?

Leon Barnard

Wenn ich mal aufgrund unseres letzten Gesprächs spekuliere: Ich denke, Jim würde Filme schreiben und Regie führen; vielleicht auch Romane schreiben. Lesen & schreiben. Schauspielen? Aus irgendeinem Grunde denke ich das nicht. Wenn man ihn nach anderen Rock-Gruppen der 60er fragte, sagte Jim, dass er nicht so viel Musik anderer Gruppen hörte und das die Musik der Doors seine Lieblingsmusik war. Ehrlich. Er mochte klassische Musik und Sänger wie Frank Sinatra oder Peggy Lee. (Hast du jemals gehört, wie Peggy Lee einen Satz umdreht?)

Die heutige Musik? Ich habe keine Ahnung. Wenn er leben würde und Musik auswählen könnte, denke ich, dass er die Musik ihn auswählen würde ... was immer in seinem Kopf einen Song sang. Ob er mit John, Robby und Ray zusammen wäre, ich würde sagen wahrscheinlich ja ... die Liebe wird immer da sein ... selbst wenn es Kämpfe und Meinungsverschiedenheiten gab. Aber hey, das ist Rock 'n' Roll, nicht war?

Auf der Bühne? Ja. Ohne jeden Zweifel denke ich, Jim würde es gefallen, sich wieder mit den Doors zusammenzutun und sein Zeug auf der Bühne auszubreiten! Aber locker, ohne Vertrag, hin und wieder, einfach um Spaß zu haben. Es wäre eine neue Performance - ursprünglich - in ihrer Wiedergeburt vergangener Zeiten. Keine wieder aufbereiteten Fratzen, ein frischer, neuer Jim Morrison.

Kommerz? Erstens wurde Jim nie davon beherrscht. Er besaß nichts ... wirklich ... nichts ... und daher besaß Nichts ihn. Er gab sein Geld aus und gab es weg. Der vollständige Existenzialist stand auf und ging einfach von allem weg. Kein Protest, einfach gar nichts; nur Gleichgültigkeit den gierigen fetten Katzen gegenüber, die sich daran machten, ihn zu vermarkten.

JLK

War Jim Morrison ein religiöser Mensch, und falls ja, weißt du, welche Art Religion er bevorzugt hätte?

Leon Barnard

"Ich glaube daran nichts zu glauben, obwohl ich daran glaube, ein bisschen von allem zu glauben", das ist meine Religion. Jim hat einmal gesagt: "Die komplette Vollendung eines Amerikaners ist es, Präsident zu werden; vollständige Vollendung des Egos ist es, Gott zu werden." Ich schätze, Jim Morrison glaubte an die übermenschliche Seite der Willenskraft. Konfessionslos.

JLK

Ray Manzarek sagte einmal: "Jims Botschaft war: Jeder Mensch ist ein Gott, jeder Mensch ist Jesus, jeder Mensch ist Buddha, das einzige was du tun musst, ist es zu begreifen." Ein Anagram von Jims vollständigem Vornamen, James Douglas, ist: Lama Jesus God. Hat Jim jemals darüber gesprochen, ob er in dem Anagram seines Namens eine tiefere Bedeutung sah?

Leon Barnard

Leon rückwärts buchstabiert ist: Noel. Und in der ersten Zeile von "Etwas über den Autor" in meinem Lebenslauf, schreibe ich: "Ich wurde in einer Krippe geboren", aber in Wirklichkeit wurde ich es nicht. Es war eher ein Landhaus mit hölzernem Rahmen am Stadtrand von Midland, Arkansas, 1940. Und ich habe mich nie eingehend damit befasst - und ehrlich gesagt habe ich darüber auch nie mit Jim gesprochen, daher habe ich keine Antwort auf diese Frage.

JLK

Es wird erzählt, dass Jim manchmal für ein paar Tage verschwand und dann irgendwo in den kalifornischen Bergen war. Weißt du, ob das stimmt, und, wenn ja, wohin Jim dann ging und was er dort machte? Könnte es sein, dass das in gewisser Weise Teil seines Lebens als "Schamane" war?

Leon Barnard

Noch einmal, um die Wahrheit zu sagen, ich denke, es wurde mehr in Jims "Schamanismus" hereingedacht als da wirklich war. Ich persönlich denke, es war Teil einer Bühnenshow, und hatte vielleicht etwas mit Jims Jugend zu tun, als er eine Weile in New Mexiko lebte und dort vielleicht einige der Traditionen der Indianer aufgesogen hat.

Wenn Jim verschwand, verschwand er einfach. Wenn er wiederkam, begrüßten wir ihn und wussten, dass er irgendwo gewesen war, aber es erschien nicht wichtig, ihn danach zu fragen wo und warum. Kalifornische Berge? Speerfische fischen mit Babe Hill in Mexiko? Das Wochenende über mit einem Groupie raus aus der Stadt? Viele Möglichkeiten, aber ich persönlich denke nicht, dass es etwas Mystisches war.

JLK

Hat Jim regelmäßig Schamanismus praktiziert?

Leon Barnard

Das bezweifle ich. Jim lebte ein unstrukturiertes, frei fließendes Leben, unabhängig von einer Mitgliedschaft - oder Zugehörigkeit - zu einer Religion. Schamane? Er konnte nicht einmal die Maracas im Rhythmus schütteln, daher baten John, Robby und Ray mich, sie auf der Bühne vor einem Konzert vor ihm zu verstecken. Ich denke es war mehr eine Performance-Sache.

Und wenn die vollständige Erweiterung eines Amerikaners ist, Präsident zu werden, dann würde ich meine Stimme für "Den Schamanen", "Den König der Eidechsen" abgeben, aber ich sah ihn nie als Gott; für mich war er ganz einfach "Jim Morrison." Ein Freund.

Foto von Frank Lisciandro.
Buch: "Morrision: A Feast of Friends"

Copyright 2004 bei Leon Barnard und Jimlizardking